Sie nimmt die Briefe mit spitzen Fingern entgegen und geht, wie jedes Mal, sicher, dass sie nicht geöffnet wurden. Auch nach Gavins letzter Bemerkung sieht sie ihn nur mit gereizter Langeweile im Blick an. "Wer war doch gleich wieder dieser Marlon, hilf mir ein bisschen auf die Sprünge, ich bitte dich. Ihr seht für mich einfach alle gleich aus. Muss an der Kleidung liegen. Und was meint er gesehen zu haben?"
"Dafür, dass Sie immer so gut informiert sind... na ja... Marlon unser Hof Herr, meint dass er einen Mann im Ausenbereich gesehen hat. Anscheinend mit dem Blick auf des Hausherren Zimmer gerichtet, stand er wohl im hinteren Teil des Gartens, in der Nähe des Pavallion. Als er hingehen wollte war er allerdings schon verschwunden. Ich dachte das interessiert sie, Miss. Nun denn meine Arbeit ist getan... ich werde mich dann auch mal zur Ruhe begeben, außer Sie wollen noch etwas. Ach und Miss, ich dachte diese Information von Marlon gebe ich an Ihnen weiter... ich habe des öfteren mitbekommen, dass sie über alles informiert sein wollen und ich wollte den Hausherren nicht mit belanglosen Dingen belästigen. War das in Ordnung, Miss Day?" Wie ein bettelnder Hund stand er vor ihr, das einzige was nich gefehlt hätte wäre die heraushängende Zunge.
Day war sobald die Worte 'mit Blick auf des Hausherrn Zimmer' gefallen waren auf dem Weg zur Tür. "Ausgezeichnet Gavin, wirklich. Nur tu mir den Gefallen und informiere mich das nächste Mal umgehend, sollte etwas dieser Art vorfallen. Und schick Marlon in mein Arbeitszimmer. Dann einen schönen Feierabend." Sobald sie allein vor der Tür steht zwingt sie sich die aufkommende Unruhe abklingen zu lassen und gar nichts mehr auszustrahlen. Als sie wenige Momente später lautlos in die Dunkelheit zwischen den Büschen und Bäumen tritt würde kaum jemand bemerken, dass sich dort etwas bewegt. Zuerst zum Pavillon und dann sehen, wie sich die beiden Hunde Verhalten, die sich auf dem Gelände befinden. Allein ihre Reaktion würde Day viel von dem verraten, was sie wissen wollte. Alle Sinne bis zum Anschlag nutzend macht sie sich auf den Weg.
Die Kletterrosen, des Pavillon hatte man vor einiger Zeit abgedeckt, doch einige dorrige Äste hatten sich aus dem Plastik befreit und die ragen nun der Sekretärin entgegen. Ein kleiner, schwarzer Stofffetzen kaum merkbar hatte sich ein Ast zu eigen gemacht. In dem gefrorenen Gras entdeckt man Schuhabdrücke, Größe 41. Festes Schuhwerk und laut dem Abdruck wohl 63 Kilo schwer. Also wohl männlich. Direkt daneben hatte dieser Fremder wohl länger gestanden, denn dort sind die Abtrücke im Gras tiefer. Des weiteren belastete er das rechte Bein stärker als das linke, was ebensfalls vom Gras abzulesen ist. Von diesen Ort hat man tatsächlich den besten Blick auf Mc Kays Schlafgemach. Die vier großen Fenster sind geschlossen und bedeckt. Plötzlich ein Rascheln...
Die Spuren waren schon ein paar Stunden alt. Also war tatsächlich jemand hier gewesen als sie in Ringsheim waren. Beunruhigend. Sie drehte sich in einer flüssigen Bewegung zur Geräuschquelle um und wartete ab.
"Verzeihung..." unsicher tritt Marlon aus dem Schatten. Der kleine Nosi, wäre vielleicht recht hübsch gewesen... aber... Er tritt vorsichtig aus dem Schatten und verbeugt sich tief.
Day begrüßt ihn mit gehobenen Augenbrauen. Interessant, welche Vorstellung die Fliege von ihrem Arbeitszimmer hatte. Aber gut. Marlon im Blick lehnt sie sich an einen unbewachsenen Teil im Eingang des Pavillons und verschränkt die Arme vor der Brust. "Ach du bist es. Ich nehme an Gavin schickt dich?" Kurz mustert sie ihr Gegenüber noch, dann folgt ihr Blick den Fußspuren, soweit sie von ihrem Standpunkt aus einsehbar sind. Später würde sie ihnen weiter folgen. "Erzähl mir, was du gesehen hast."
"Nein, ich hatte mich noch draußen aufgehalten und bin den Spuren gefolgt... dann habe ich Euch bemerkt, verzeiht, wenn ich gestört habe..." Wieder verbeugt er sich tief. "Ich war zu der Zeit dort vorn" Er weißt zu dem künstlich angelegten Teich, der in der Mitte der Strecke, des Pavillon und des Gebäudes liegt. "Ich habe die Pumpe repariert und dann ist was aufgefallen.... ein Geräusch, es hörte sich an wie ein leises Knurren oder so etwas ähnliches. Na ja ich dachte an ein Tier, aber m sicher zu gehen bin ich im Schatten verschwunden und habe meine Arbeit erst mal liegen gelassen." Er wartete kurz. Vielleicht um abzuwarten, ob es Ärger gibt, dann fährt er fort. "Ich hab es wieder gehört und bin näher ran getreten, genau dort stand jemand." Er weißt auf die Spuren, die tief im gefrorenen Gras zu sehen sind. "Genau da stand er. Er hat das Fenster des Herren fixiert.... " Er hält kurz inne und versucht zu rekonstruieren. "Er muss mich wohl bemerkt haben, denn als ich näher kam um ihn zu erkennen lief er davon. Ich habe die Schritte bis zum Gitter verfolgen können." Vorsichtig blickt er sie nun an und hofft dass er keinen Ärger bekommt.
"Nein, du störst nicht. Ich wollte in dieser Sache ohnehin noch mit dir sprechen." Sie lächelt zwar, doch ihre Augen bleiben kalt. In Gedanken überschlägt sie längst unzählige Personen, Möglichkeiten und Motivationen die hierfür in Frage kommen könnten und verwirft die meisten ebenso schnell wieder. Trotzdem entgeht ihr keins von Marlons Worten. "Das heißt du hast sein Gesicht nicht erkannt. Versuch bitte ihn mir trotzdem so genau wie möglich zu beschreiben. Alles was dir einfällt, auch wenn es dir vielleicht unwichtig erscheint." Bei ihm schlägt sie, anders als bei Gavin, dieser Schmeißfliege, beinahe schon einen freundlichen Ton an. "Kam er von derselben Stelle an der er wieder verschwunden ist?" Dann murmelt sie, mehr zu sich selbst: "Ich nehme an du hast das Gelände nicht verlassen. Ach..." Nun widmet sie dem Nosferatu wieder ihre volle Aufmerksamkeit. "Du hast genau richtig gehandelt. Ich danke dir. Nur würde ich dich, wie auch schon Gavin,", sie spricht den Namen wie eine Krankheit aus, "bitten mir in einem solchen Fall unverzüglich Bescheid zu geben. Das wäre mir sehr recht. Und, du weißt nicht zufälligerweise wo sich die Hunde gerade herumtreiben?"
"Nun, Mr. Silver sagte zu mir, er wird Ihnen so schnell wie möglich Beschied geben und hat mich wieder nach draußen gebeten, verzeiht... Aber in Zukunft werde ich mich nicht vertrösten lassen." Er versucht sich wieder genau an alles zu erinnern. "Er trug einen schwarzen Mantel mit Kapuze, die er tief im Gesicht trug, daher habe ich keine Ahnung wie sein gesicht aussieht. Er lief gebückt, er wahr etwa 1,70 bis 76 groß.... trug eine schwarze Tasche bei sich, eine Umhängetasche... war recht dünn.. tut mir leid mehr fällt mir nicht ein, aber so bald ein weiters Detail dazu kommt werde ich Sie informieren." Auch wenn andere etwas anderes von sich gaben, er mag sie. Sie machte meist einen kühlen Eindruck doch das schätze er. Sie war eine starke Frau, die kompetent und immer perfect war... "Die Hunde haben den Garten und den Hof abgesucht aber nichts gefunden, er ist ihnen auch nicht aufgefallen. Momentan halten sie sich im Innenhof auf. Vor zwei Stunden waren sie unruhig, aber jetzt scheint alles wieder in Ordnung zu sein."
"Gut, das hilft mir schon sehr." Zumindest ist es besser als nichts. Day stößt sich von der Wand ab. "Das war alles, leg dich zur Ruhe, wenn du möchtest." Sie nickt dem Nosferatu noch einmal freundlich zu, dann wendet sie sich ab und folgt den Spuren im Gras. Falls es noch irgendeinen Hinweis auf den Besuch geben sollte wird sie ihn finden und in der folgenden Nacht alles erledigen was nötig ist. Schließlich ist auch das ein Teil ihres Jobs.
Er nickt ihr ebenfalls zu verbeugt sich nochmals tief und verschwindet im Schatten. Die Spuren führen tatsächlich zum Gitter doch dort enden sie... nichts Spuren im Gras bis zum Gitter mehr nicht... Wie ein Geist der sich im Hof körperlich gemacht hatte und als er ihn verließ wieder Spährisch wurde...
Nicht anders, als sie erwartet hatte ... Ein kurzer Blick in den Himmel verrät ihr, dass ihre Zeit knapp wird. Auf dem Weg zurück zum Haus zieht sie die Briefe aus der Manteltasche und wirft einen Blick auf die Absender. Wahrscheinlich müssen sie bis morgen warten, denn jetzt hat sie noch ein paar Anrufe zu erledigen. Nur um ganz sicher zu gehen, dass das Grundstück auch tagsüber sicher ist.
Brief Nummer eins hat ein dickes schwarzes Siegel mit den Initialen GGG:
Mein liebstes Kind der Nacht, ich schreibe dir hier vom schönsten Strand der Welt und denke an dich. Meine Teuerste wann darf ich mit einem Besuch wieder rechnen? Aber nun zu etwas anderem mein Liebes; Luca ist in Gefahr. Er wird von den Asamiten heimgesucht... Folgende Namen konnten wir ausfindig machen, die mit drin hängen: Galcio Vernand, Ricardo Melbere Lugare Nervanci Irene Selvando Ich bitte dich sie ausfindig zu machen und alles rauszubekommen. Hier geht es um die Familie.
GGG In Liebe
Brief Nummer 2, trägt ein rotes Siegel ohne Zeichen:
Sehr geehrte Miss Day, hiermit sind sie eingeladen zum Abendessen auf der Cica de Ciaro. 24 Uhr Gastgeber des Abends: Thoma Krühl
Brief Nummer 3, ein schwarzes Sigel mit einer Hand:
Miss Day, Morgen soll der nächste Schritt geplant werden, wir erwarten dein Protokoll, den Verlauf und die Entwicklung des Abends. Stuttgard, 13.1.2012 Jardo Senns
Der erste Brief wandert wieder zurück in die Tasche, zu der kleinen Tüte mit dem schwarzen Stofffetzen. So beunruhigend der Inhalt auch ist, heute kann sie ohnehin nichts mehr ausrichten. In einer halben Stunde geht die Sonne auf, also hat sie höchstens noch eine Stunde Zeit bevor sie schlafen muss. Sobald sie in ihrem Arbeitszimmer ist wandern die anderen beiden Briefe in den Aktenvernichter. Der eine, weil er es nicht anders verdient hat, und der andere weil seine Forderung bereits zur Hälfte erledigt ist. Sie führt einige kurze Telefonate, mit Menschen an deren Ausbildung sie selbst maßgeblich beteiligt war. Menschen, die Anweisungen ausführen, wenn sie von ihr kommen. Den heutigen Tag über wird sie ohne Sorge schlafen können. Danach beantwortet sie den dritten Brief und legt den Umschlag vor die Tür. Langsam spürt sie die Müdigkeit. Ohne großartige Erwartungen fährt sie den Laptop hoch und gibt die Namen aus dem Brief in ihre Datenbank ein. Keine Treffer. Natürlich nicht. Assamiten. Wie sehr sie dieses Wort hasst. Nach Fay kann sie sich die Suche auf diesem Weg direkt sparen. Mit einem frustrierten Seufzen lehnt sich Day in ihrem Stuhl zurück und drückt die Handballen auf die Augen. Auch wenn es nicht leicht zu akzeptieren ist, für heute hat sie ihr Möglichstes getan. Und morgen würde eine dieser Nächte werden, die sie am Liebsten gar nicht erst beginnen wollte.